AllgemeinBerichte

Offener Brief unserer Quartiersmanagerin

Die Diskussionen zu den Silvestervorfällen in der Hasseldelle irritieren. Es wird kontrovers diskutiert und ich stelle mir die Fragen: „Wieso sind alle so überrascht?“ Es wird über einen 24-Stunden Ordnungsdienst diskutiert. Über mehr Sozialarbeit beziehungsweise eine falsche Sozialpolitik. Über ein Böllerverbot in der Hasseldelle nachgedacht…

Wieso sind alle so überrascht?

Die Hasseldelle liegt räumlich segregiert. Dies gilt auch für viele der Bewohner der Hasseldelle. Wut und Frust darüber, wenig Zugriff auf Ressourcen zu haben. Keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, vom Schulsystem aussortiert oder keine Arbeitsstelle, Ausbildungsplatz zu bekommen. Bestimmtes bleibt Ihnen verwehrt. Manchmal schon aufgrund ihrer Adresse. Jetzt mögen viele sagen, „Dass ist noch lange keine Entschuldigung Feuerwehrleute im Einsatz zu attackieren.“ Und nein, eine Entschuldigung ist dies sicherlich nicht, aber es lohnt sich genauer hinzusehen woher diese Aggression rührt und nicht nur ein Symptom zu benennen und zu glauben, es wäre damit getan Täter zu finden dieses „Benehmen“ zu bestrafen. Besonders junge Menschen hat die Zeit mit Corona geschadet. Besonders in kinderreichen Familien konnte es eng und anstrengend werden. Von finanziellen Nöten ganz zu schweigen. Die Situation in der Silvesternacht in der Hasseldelle hat sich ganz klar hochgeschaukelt und ist teilweise eine Verkettung unglücklicher Umstände. Die Lebenssituationen in der Hasseldelle sind jedoch mehr als nur Verkettungen unglücklicher Umstände und dies sollte dringlichst bedacht werden. Mit einem einfachen „Das sind die Täter, die müssen bestraft werden, die verfolgen nicht unsere Werte!“ ist es nicht getan. Denn Werte und Ziele sind höchstwahrscheinlich sehr identisch zu all den anderen BürgerInnen Solingens, doch werden sie bestimmten Menschen verwehrt.

Seit Jahren kämpfen die MitarbeiterInnen im Verein Wir in der Hasseldelle e.V. um Gelder für Projekte. Die Förderung von Stadt und Land bezieht sich lediglich auf die Arbeitsstellen der einzelnen Engagierten. Jedes einzelne Projekt muss beantragt werden. Sportprojekte für Jugendliche, Utensilien für die Hausaufgabenbetreuung oder ein warmes Mittagessen für Schulkinder. Teilweise werden tagelang Anträge geschrieben in der Hoffnung, etwas bewegen zu können. SozialarbeiterInnen sitzen teilweise länger am Schreibtisch, als dass sie sich um individuelle Probleme kümmern könnten. Seit Jahren wird in den sozialen Bereichen gespart, gleichzeitig erhöht sich der Bedarf an Unterstützung. Der Verein hilft BerwohnerInnen der Hasseldelle meist in jeder Lebenslage und vermittelt weiter. Doch, und das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden; er kann nicht das Auffangen, was Jahrelang versäumt wurde. Mit einem „der Verein Wir in der Hasseldelle e.V. macht das schon. Die sind doch vor Ort, die können das übernehmen.“, ist es nicht getan. Und das schon lange. Der Verein leistet gute Arbeit, aber es fehlt finanziell an allen Ecken und Enden. Es wird sich aufopferungsvoll gekümmert und alles getan, um zu helfen. Wenn man jedoch genauer hinsieht, erkennt man sehr deutlich, dass dieser Verein – wie viele andere auch- gegen Windmühlen kämpft. Die Infrastruktur in essenziell wichtigen Bildungseinrichtungen, die Sozial- und Jugendarbeit Solingens ist so marode geworden, dass ein einzelner Verein dies nicht auffangen kann. „Wir in der Hasseldelle“ leistet wertvolle Integrationsarbeit und ermöglicht Menschen soziale Teilhabe, doch kann er dies nicht allein tun. Der Zugang zum gesellschaftlichen Leben bleibt meist dennoch versperrt.

Marina Winkelmann-Lehnen,
Quartiersmanagerin „Wir in der Hasseldelle e.V.“